„Die Ingenieurschule kann Kunst“

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Kunst im Knast: Im alten Offenburger Gefängnis sind derzeit Kunstwerke und Installationen zu sehen. Auch Studierende der Medienfakultät hauchen den alten Mauern mit Medien- und Klanginstallationen neues Leben ein.

Die Truppe der Hochschule Offenburg, in der Mitte Professor Götz Gruner und Galerist Hugo Näger. Bild: sg

Beinahe gespenstisch klingt der Widerhall der weißen Kacheln in dem alten Waschraum. Schritte werden hörbar immer lauter, fast beängstigend. "Das sind die Schritte des Wärters, die hier den Takt vorgeben", erklärt Jennifer Fuchs, die im fünften Semester <link http: mgp.mi.fh-offenburg.de external-link-new-window external link in new>medien.gestaltung und produktion (mgp) an der Hochschule Offenburg studiert und für die Ausstellung im alten Gefängnis zwei Klanginstallationen erstellt hat. "Ich wollte dem toten Raum auf der akustischen Ebene wieder Leben einhauchen", sagt sie.
Das ist ihr gelungen, finden auch die Besucher, die am Samstag, 13. April, zu einer Führung durch die Medien- und Klanginstallationen gekommen sind. "Ich wusste gar nicht, dass es auf der Ingenieurschule auch Künstler gibt", sagt eine Besucherin anerkennend, als Professor Götz Gruner den Studiengang "mgp" vorstellt. "Die Studierenden können sich hier in Offenburg entfalten, vom ersten Semester an zeichnen und malen sie auch in der Kunstschule", sagt er. Zu den Medieninstallationen hatte ihn Hugo Näger, Offenburger Galerist und Organisator der Ausstellung, animiert.

Hermann Hesse, multimedial interpretiert

Da gibt es eine multimediale Interpretation des Gedichts "Stufen" von Hermann Hesse, vorgestellt von Jessica Müller: "Hier geht es um Vergänglichkeit, Trägheit und Weitergehen", erklärt die Studentin. Ein Thema, das ins Gefängnis passt - wie auch die Installation "Abbild" von Anna Will und Linda Kunath-Ünver. Die beiden setzen in ihrer Installation, die sich stilecht hinter Gittern verbirgt, auf Interaktivität: "Abbild zeigt einen modellierten Kopf, auf den Fotogra?en unterschiedlicher Menschen projiziert werden. Ein Bewegungssensor am Boden schießt vom Betrachter ein Foto, das wiederum in die Datenbank gelangt und so auf das leere Gesicht projiziert wird. Er ist also einer von vielen. Es geht um den Umgang mit Menschen untereinander, miteinander", erklären die Studentinnen den Besuchern. "Im Kontext Gefängnis bekommt diese Projektion natürlich eine ganz andere Bedeutung", merkt Götz Gruner an. "Technisch war es leider nicht möglich, aber theoretisch hätten wir uns nun selbst auf dem Kopf als Gefangene in der Zelle sehen können."

Schritte der Gefangenen werden hörbar

Im zweiten Stock, in einem großen weiten Gang, der von Zellen gesäumt wird, hören die Besucher die Gefangenen laufen. Die zweite Klanginstallation von Jennifer Fuchs wirkt verstörend echt: "Ich habe mir die Geister der Gefangenen vorgestellt", sagt sie. Sie lässt die Schritte immer lauter werden, bis sie irgendwann in dem weiten Gang verhallen. Aufgenommen hat sie ihre Klanginstallationen bei einem Praktikum bei Arte in Straßburg: "Ich durfte nach der Arbeitszeit das Tonstudio nutzen, das war Gold wert." Und wiederum waren die Besucher überrascht ob der Kunstwerke, die an der Hochschule Offenburg entstanden sind.

Fotogeschichte aus Istanbul

Bewundernd auch die Blicke im Hof: An der sandsteinernen Gefängnismauer prangen in Schwarz-Weiß die Fotografien von Faruk Ünver, die den Titel "Bosporus" tragen. Er und seine Frau Linda Kunath-Ünver reisen jedes Jahr nach Istanbul: "In den Medien hört man immer vom Aufschwung der Türkei - da haben wir an die Straßenverkäufer in Istanbul gedacht und uns gefragt, ob dieser Aufschwung auch bei ihnen ankommt." Einfache Motive sind es - und doch gehen sie unter die Haut: Etwa der Mann im altmodisch gemusterten Pullover, der Tontöpfe auf einem Holzwagen verkauft, blickt aufrichtig in die Kamera, bringt den Betrachter zum Nachdenken. "Mit den Bildern will ich zeigen, dass der Fortschritt im Herzen beginnt - denn die Kleidung der Verkäufer kann noch so staubig sein, ihr Herz ist rein", sagt Faruk Ünver.

Info: Eine weitere Führung mit Professor Götz Gruner und den Studierenden findet am Samstag, 20. April, um 11 Uhr statt. Treffpunkt ist der Innenhof des alten Gefängnisses in der Grabenallee.Weitere Informationen: <link http: kunsttage-offenburg.de external-link-new-window external link in new>

kunsttage-offenburg.de