Beinahe 400 Gäste waren am Mittwochabend zum IHK-Sommerfest auf den Campus der Hochschule
Offenburg gekommen. Bei bestem Wetter hatten sie die Gelegenheit, sich zu vernetzen und sich die
Forschungsprojekte von Studierenden und Lehrenden anzusehen. Der Ort hätte passender nicht
sein können: Zum 50. Geburtstag der IHK drehte sich dieses Mal alles um eines der vier
Strategiethemen: Nachhaltigkeit.
„Sie sind genau richtig hier, an diesem Ort werden die Ingenieurinnen und Ingenieure von Morgen
ausgebildet“, begrüßte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon die Unternehmer:innen und
Verantwortlichen aus Politik und Gesellschaft. Das Sommerfest fand bereits zum zweiten Mal auf dem
Campus-Gelände der Hochschule Offenburg statt. Nicht ohne Grund: Eine gute Verbindung von Wirtschaft
und Wissenschaft wird in Zeiten der Energiewende noch bedeutungsvoller.
IHK-Präsident Eberhard Liebherr leitete den Abend mit einem interessanten Vergleich ein. „76,13 US-Dollar.
Das ist der aktuelle Preis für ein Barrel Rohöl. Das könnte beinahe für entspannte Gesichter bei ihnen
sorgen, denn heute vor einem Jahr betrug der Preis noch 113,39 USD je Barrel.“ Vor 50 Jahren habe ein
Sprung von drei auf fünf Dollar je Barrel und eine Fördermengenbegrenzung einiger OPEC-Staaten die erste
Ölkrise ausgelöst. 1973 war auch die Geburtsstunde der IHK Südlicher Oberrhein. Damals schlossen sich
die Industrie- und Handelskammer Lahr und die Industrie- und Handelskammer Freiburg zur IHK Südlicher
Oberrhein zusammen. „Das war damals keine Liebesheirat. Die Verwaltungsreform der Landesregierung
war der Stifter dieser Ehe“, sagte Liebherr.
„Das Selbstverständnis der Industrie- und Handelskammer war vor 50 Jahren auch noch ein anderes, von
‚Dienstleister‘ für die Mitglieder war da wohl kaum die Rede. Heute möchten wir als IHK genau das sein:
Dienstleister für die Wirtschaft. Mit den vier von der Vollversammlung bei ihrer jüngsten Wahl im Jahr 2021
erarbeiteten Strategiethemen bewegen wir uns am Puls der Zeit – Digitalisierung, Fachkräfte, Standort und
Nachhaltigkeit – diese vier Strategiethemen sind auch heute Abend hier präsent.“
Der Fokus lag vor allem auf dem Thema Nachhaltigkeit. Auf dem gesamten Campus präsentierte sich nicht
nur die IHK ihren Gästen, auch die Forschenden der Hochschule Offenburg stellten ihre Nachhaltigkeits-
Themen in Rampenlicht. Beispielsweise das Projekt „Schluckspecht“, bei dem Studierende bereits seit 1998
Forschungsfahrzeuge entwickeln, die möglichst energieeffizient unterwegs sind. Oder das Solar Tuk Tuk.
Hier geht es darum, Millionen von Motorrikschas mit Verbrennungsmotor eine saubere solarelektrische
Zukunft zu geben. Bei einem Rundgang durch das Regionale Innovationszentrum für Energietechnik (RIZ
Energie) konnten sich die Gäste des Sommerfests ebenfalls von der Forschungspower der Studierenden
mitreißen lassen.
Dass die Unternehmen und Forschenden im Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein das Thema Nachhaltigkeit
sehr ernst nehmen, wurde einmal mehr beim Podiumsgespräch deutlich. So baut der Oberkircher
Papierhersteller Koehler bereits seit mehr als zehn Jahren ein weiteres Geschäftsfeld auf, um die für die
Produktion benötigte Energie aus erneuerbaren Ressourcen zu gewinnen, wie Technikvorstand Dr. Stefan
Karrer erklärte. „Wir wollen bis 2030 das Koehler-Versprechen einlösen: So viel Energie aus Erneuerbaren
zu produzieren, wie wir in der Papierherstellung benötigen.“ Er sprach von riesigen Herausforderungen, die
energieintensive Unternehmen hierzulande zu meistern hätten, die Weitblick erforderten und nicht nur über
staatliche Förderungen angegangen werden könnten. „Wir benötigen eine dauerhafte Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit und Planungssicherheit. Wenn wir die Themen angehen sollen, brauchen wir
Rahmenbedingungen für schnelles Handeln.“
Auch beim Sensorenhersteller Sick stehen die Zeichen schon lange auf Ressourcenschonung. „Wir arbeiten
bereits bei der Entwicklung und dem Design der Produkte daran, Nachhaltigkeit einzuarbeiten“, sagte Ulrike
Kahle-Roth, Vorständin für Supply Chain & Fulfillment beim Waldkircher Unternehmen. Sie sieht das Thema
nicht als Belastung an, das als Arbeitspaket obendrauf kommt. Nachhaltigkeit müsse in die einzelnen
Arbeitsprozesse „clever integriert“ werden. „Anstatt sich zu begraben, sollte man kreativ an die Sache
herangehen.“
Salomon, der die Podiumsdiskussion moderierte, stellte auch die Frage nach der allgemeinen
Wettbewerbsposition der Republik im Bereich der Nachhaltigkeitsthemen. „Ich habe das Gefühl,
Deutschland ist im Moment völlig verunsichert, merkt mittlerweile vor allem, was nicht mehr funktioniert.“
Dazu gehöre auch das Thema Bürokratie. Prof. Dr. Stephan Trahasch, der Rektor der Hochschule
Offenburg und Experte für betriebliche Kommunikationssysteme und IT-Sicherheit, ist sich jedoch sicher,
dass die heimischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der Lage sind, die aktuellen
Herausforderungen zu meistern. „Sie wissen um ihre Stärke. Sie können international mitspielen, allerdings
brauchen sie mehr Freiraum zum Experimentieren.“ Die Regularien seien gut gemeint, „sie nehmen uns
jedoch die Luft zum Atmen. Ich wünsche mir einen mutigen Schritt der politischen Entscheider, wieder mehr
Freiräume zu schaffen.“
Von fehlenden Freiräumen konnte auch André Olveira-Lenz, Leiter des Geschäftsbereichs Innovation und
Umwelt bei der IHK, berichten. Allerdings auf Seiten der Unternehmer:innen. Er spricht von einem Dilemma.
„Viele kommen aufgrund des aktuellen Tagesgeschäfts, das von deutlichen Preissteigerungen im Energieund
Rohstoffbereich gekennzeichnet ist, gar nicht dazu, sich Gedanken über das Morgen zu machen.“ Und
es kämen noch mehr Herausforderungen auf die Betriebe zu. „Wir sprechen in den kommenden Jahren nicht
nur über die Wärme- und Kälteerzeugung oder die Beleuchtung, dann geht es ans Eingemachte: Es geht
beispielsweise auch um den Einsatz der Materialen, die einhundertprozentige Wiederverwertbarkeit. Das
greift direkt in die Produktionsprozesse der Unternehmen ein.“
Prof. Dr. Niklas Hartmann zeigte sich beim Podiumsgespräch optimistisch, dass die Herausforderungen der
Zukunft gemeistert werden können. „Wir brauchen ambitionierte Ziele, sonst passt es mit der Logik der
Klimakrise nicht zusammen.“ Den Eingriff in Produktionskapazitäten könne man beispielsweise nutzen, um
Flexibilität im Energiesystem zu erzeugen. „Das rentiert sich heute noch nicht, es kann im Zuge der
Digitalisierung aber lohnenswert werden“, sagte Hartmann, der am Institut für Nachhaltige Energiesysteme
(INES) der Hochschule lehrt. „Es gibt so viele Möglichkeiten, die erschlossen werden können und müssen,
dann schaffen wir auch unsere Klimaziele.“ Am Willen der jungen Generation scheitere die Klimawende
nicht. „Wir merken, dass die Studierenden sehr motiviert sind und einen Kompass für Nachhaltigkeit in sich
tragen. Wird er aktiviert, kann ein großer Mehrwert für die Gesellschaft entstehen.“
Nach dem Gedankenaustausch auf dem Podium verteilten sich die Gespräche bis weit nach Einbruch der
Dunkelheit über den gesamten Campus.